ACCENT > ACCENT de > Nr 6 Feb. 2006 Saurer Regen > F: Auswirkungen modellieren

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Forschung

Simulation der Schwefelemissionen

Saurer Regen war ein Problem in Europa - es ist ein Problem in Asien

 

 Das Problem des sauren Regens

In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden sich viele Menschen in Europa bewusst, dass die Umwelt durch den starken Säuregehalt des Regens oder durch sauren Nebel geschädigt wurde. Regen ist von Natur aus leicht sauer, da sich Kohlendioxid in den Regentropfen löst, Kohlensäure bildet und so zu einem pH-Wert von etwa 5,6 führt. In Regionen mit starken Emissionen von Schwefeldioxid und Stickoxiden jedoch wurden Werte von pH = 4 oder sogar noch darunter gemessen.

Infolgedessen versauerten die Böden und chemische Verbindungen (wie Al3+ Ionen) wurden mobilisiert, die den Wald schädigen. Der pH Wert sank z.B. in schwedischen Seen sehr deutlich und oft gingen die natürlichen Ökosysteme in diesen Seen zugrunde.

 

Waldschäden im Erzgebirge

1. Abgestorbener Wald im Erzgebirge in der Nähe der Kohleregionen Mitteleuropas.
Quelle: public domain Wikipedia
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pH-Wert in der Humusschicht

Aber auch Gebäude und andere kulturelle und technische Objekte, die säureempfindlich sind, wurden durch sauren Regen zerstört. Hauptquelle des Schwefeldioxids und des hieraus entstehenden sauren Regens sind ungefilterte Verbrennungsprozesse fossiler Energieträger: Braunkohle, Steinkohle und auf Öl basierende Brennstoffe in Kohlekraftwerken und Haushalten.

2. Links: Der pH-Wert in der Humusschicht in Schweden. Die Animation zeigt die Veränderungen seit 1963. Autor: Ake Nilsson, Swedish University of Agricultural Sciences.
Quelle: Schwedische Umweltschutzbehörde.

 Entwicklung in Europa und Asien

In den letzten Jahrzehnten wurden in Europa fortschrittliche Filtertechnologien entwickelt. Es wurden Gesetze verabschiedet, die Industrie und Energiewirtschaft zwangen, diese einzusetzen. Viele Privathaushalte wechselten vom Kohlebrikett zu anderen Energieträgern für Heizung und Herd. Wenngleich immer noch viele Böden und Seen unter den langfristigen Auswirkungen der Übersäuerung leiden, so wurden doch in Europa die Schwefelemissionen drastisch reduziert und das Problem ist weitgehend gelöst.
 

In anderen Teilen der Welt jedoch, vor allem in den industriell stark expandierenden Staaten Asiens mit hohem Energiebedarf und niedrigen Umweltstandards, wurde saurer Regen zum gravierenden Problem.
 
Skyline von Pudong

3. Die Skyline von Pudong, Shanghai, © Foto: Shizhao, Vervielfältigung freigegeben unter den Bedingungen der GNU Lizenz für freie Dokumente
Bitte für eine Vollansicht das Bild anklicken. (150 K)

In Staaten wie China sind noch große Mengen an Kohle als Energielieferant verfügbar und sie sind billiger, als andere Energiequellen. Die Wirtschaft profitiert von niedrigen Produktionskosten und die Installation teurer Filtertechnologien würde diese erhöhen. Wenngleich sich Maßnahmen zum Schutz der Umwelt langfristig auszahlen, so müssen doch die Investitionen heute gemacht werden. Im International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg (Österreich), Partner in ACCENT, wurde ein Modell entwickelt (RAINS genannt), mit dessen Hilfe der derzeitige Stand, die zukünftige Entwicklung und die Kosten für eine Reduktion von Luftverschmutzung und saurem Regen in Asien abgeschätzt werden können.

 

SO2 Emissionstrends in Asien

4. Trend für die Emissionen in Asien: Schätzungen für die Emissionen im Jahr 2020 sind für drei verschiedene Annahmen dargestellt: auf Basis der heutigen Gesetzgebung (CLE), bei unkontrollierter Emission (NOC) und unter Nutzung der bestmöglichen Technologien (BAT).
Datenquelle: Cofala et al. 2004 ; Grafik : Elmar Uherek
Bitte die Grafik zum Vergrößern anklicken!
 

 Schätzungen für Asien

Schätzungen für das Jahr 2004 gehen davon aus, dass Kohleverbrennung etwa 80% des Energiebedarfs im ostasiatischen Raum deckt. Wenngleich der Anteil anderer Energien (Öl und Erdgas) steigt, so wird doch erwartet, dass sich der Gesamtenergiebedarf über die nächsten 30 Jahre verdoppelt oder sogar verdreifacht. Deshalb gilt: Ändert sich die gegenwärtige Gesetzgebung nicht, so werden die Schwefelemissionen weiter steigen. Andererseits zeigt das Beispiel leicht sinkender Emissionen in China, dass das Bewusstsein für das Problem geschärft ist und entsprechende Gegenmaßnahmen in Energiewirtschaft und Politik helfen können, die Schwefelbelastung zu reduzieren, wie dies schon in Europa gelang. Daher zeigt das BAT-Szenario unter Verwendung der bestmöglichen Technologien deutlich niedrigere Werte für das Jahr 2020.

RAINS Karte

5. a - d) SO2 Emissionen nach Staaten in Asien. Die Schätzungen für 2020 wurden auf der Basis der derzeitigen Gesetzgebung (current legislation estimates = CLE) vorgenommen. Es ist zu beachten, dass die Skala im Bild oben links a) für die wirtschaftlich starken Staaten in Asien um ein 15faches höher ist, als in allen anderen Grafiken. In den anderen endet die Y-Achse bei 2000 Kilotonnen SO2. Da dieser Wert für 2020 in Pakistan und Thailand überschritten wird, sind diese Staaten zusätzlich in Grafik a) enthalten.
Bitte klicke auf das kleine Bild links, um eine Übersichtskarte aller Staaten anzusehen.
Datenquelle: Cofala et al., 2004; Grafiken: Elmar Uherek
Jede Grafik kann durch Anklicken vergrößert werden. (30 K)

SO2 Asien große Staaten

5. a) Die starken Wirtschaftsräume in Asien (olivgrün) + Thailand und Pakistan

SO2 in Südasien

5. b) Kleinere Staaten in Südasien und Mongolei (orange)

SO2 Asien, Südost

5. c) Staaten in Südostasien + Nordkorea (dunkelgrün)

SO2 Asien Pazifik

5. d) Staaten im pazifischen Asien + Emissionen von Schifffahrtsrouten [sea lanes] (beige)

 Kosten für die Reduzierung der Emissionen

Natürlich verursachen emissionskontrollierende Maßnahmen wie die Modernisierung der Kraftwerke und der Einbau von Filteranlagen Kosten. Das RAINS Modell schätzt auch diese Kosten ab. Für das Jahr 1995 wird z.B. geschätzt, dass ca. 3,9 Millionen Tonnen an SO2 Emissionen vermieden wurden dank Investitionen in reduzierende Maßnahmen von 4,7 Milliarden US Dollar. Bis zum Jahr 2020, so eine weitere Schätzung, können auf Grund neuester Gesetzesänderungen weitere 28% der theoretischen (unkontrollierten) Emissionen vermieden werden, bei Kosten von 13 Milliarden US Dollar. Für die bestmögliche Reduzierung auf 11 Millionen Tonnen jedoch (siehe Grafik BAT), sind 78 Milliarden an Kosten anzunehmen.

 

geschätzte Emissionen der Zukunft

6. Die für die jeweils aktuelle Gesetzeslage geschätzten Emissionen in der Zukunft können sich stark ändern, wenn sich die Gesetze ändern. Verbesserte Regulierungen führten dazu, dass die Schätzung der SO2 Emissionen für das Jahr 2020, die in 2000 vorgenommen wurden, deutlich niedriger liegen, als diejenigen von 1994. Modellergebnisse sind daher keine Vorhersage, sondern hängen immer von den angenommenen Bedingungen ab.
Quelle: Cofala et al., 2004
 

Natürlich stellen solche Investitionskosten für die Wirtschaft der Staaten keinen vollständigen Verlust dar. Denn die Entwicklung von Filter- und Umwelttechnologien und ihr Einbau beschäftigt Menschen und ist selbst ein Teil der Wirtschaft. Für das einzelne Unternehmen jedoch kann eine zu harte Gesetzgebung zu hohe Kosten verursachen. Regulierungen müssen in kluger Weise eingeführt werden, um die kurzfristigen und langfristigen sozialen, wirtschaftlichen und Umweltinteressen im guten Gleichgewicht zu halten.
 

optimierte Reduktion von Emissionen

7. Die Kosten für bestimmte Maßnahmen mit großer Wirkung können relativ niedrig liegen. Umgekehrt können sie für Maßnahmen mit kleiner Wirkung hoch sein. Wissenschaftler und Ökonomen versuchen zu ermitteln, wie die größten Reduktionen am effektivsten, d.h. zu den niedrigsten Kosten erreicht werden können. Die Grafik zeigt, wie schwefelarme Kohle, schwefelarmes Schweröl und Rauchgasentschwefelung (flue gas desulphurisation FGD) helfen können, die Emissionen zu reduzieren und in welchen Teilen des Energiesystems sie mit niedrigsten Kosten bei größtmöglicher Auswirkung eingesetzt werden können. Zum Beispiel hat eine Begrenzung des Schwefelgehaltes in Dieselöl auf 0,2% einen recht guten Nutzen bei niedrigen Kosten.  Den Schwefelgehalt weiter auf 0,01% zu senken, erzeugt keine größere Wirkung, aber wesentlich höhere Kosten und ist daher vergleichsweise weniger effektiv, als zum Beispiel die Rauchgasentschwefelung in ölbetriebenen Kraftwerken.
Quelle: Cofala et al., 2004

SO2 Konzentrationen 2020

8. Geschätzte SO2 Konzentrationen für das Jahr 2020 bei der Gesetzeslage von 2004. Farben von gelb bis dunkelrot zeigen Überschreitungen der von der WHO vorgeschlagenen Grenzwerte an.
Quelle: Cofala et al., 2004

 

 Negative Auswirkungen für die Gesundheit

Oft sind wirtschaftliche Investitionen zum Nutzen der Umwelt nötig, die sich erst in Jahrzehnten auszahlen. Im Falle von saurem Regen jedoch sind die Schäden relativ direkt spürbar. Dies betrifft nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit der Menschen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt Obergrenzen für eine akzeptable Luftqualität, die bei Konzentrationen von c(SO2) = 15-20 µg/m3 liegen. Die Schätzungen des RAINS Modells jedoch zeigen, dass in großen verstädterten Räumen 80 µg/m3 überschritten werden und die lokalen Maxima sogar weitaus höher liegen könnten. Mehr als eine Milliarde Menschen würden in den betroffenen Regionen leben. Wir können uns vorstellen, dass die Kosten für die Gesundheitssysteme enorm wären.

 

 Schlußfolgerung

Wir sehen, dass relativ einfache chemische Reaktionen, wie die Bildung von Schwefelsäure aus Schwefeldioxid in der Luft, enorme Auswirkungen für Wirtschaft, Politik, Umweltschutz und Gesundheitsfürsorge in großen Regionen der Welt haben können. Wissenschaftler müssen nicht nur die chemischen Prozesse verstehen und die Technologien, um diese zu vermeiden. Wirtschaftliche Modelle müssen auch ermitteln, welche Techniken vorrangig angewandt werden sollten.


 
Autor: Elmar Uherek - Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz

Die Abbildungen mit der Quellangabe Cofala et al., 2004 sind dem folgenden Artikel entnommen:
Cofala, J., Amann, M., Gyarfas, F., Schöpp, W., Boudri, J.C., Hordijk, L., Kroeze, C., Li Junfeng, Dai Lin, Panwar, T.S., Gupta, S., 2004, Cost-effective Control of SO2 Emissions in Asia. Journal of Environmental Management 72 (2004), pp. 149-161.
Reviewer: Janusz Cofala, IIASA Laxenburg (Österreich)
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