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Kontext

Context: Wie funktionieren Klimamodelle?

Schlüsselbegriffe:

Modellierung, Szenarien, Klimaparameter, Gitter, physikalische Formeln

 Einleitung

Unsere Lebensweise von heute bestimmt das Weltklima der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte. Darum wird es für die Lebensbedingungen unserer Kinder und folgender Generationen entscheidend sein, wie wir unsere Umwelt heute behandeln. Im Erdkundeunterricht lernen wir Klimakarten kennen, die nach einer Klimaklassifikation nach Troll und Paffen oder Koeppen gezeichnet sind. Aber du kannst heute mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass die Klimakarte für deine Enkel im Jahr 2060 deutlich verschieden von der Karte sein wird, die in deinem Schulbuch steht. Der Mensch ändert in nie da gewesener Geschwindigkeit die Gegebenheiten in der Natur.

 

 Was ist ein Klimamodell?

Temperatur und Regen, Fluten und Stürme, Dürren und Kältewellen bestimmen erheblich unser Leben. Wir möchten wissen, wie wir die Erde verändern. Wir können hierzu aber kein Laborexperiment durchführen, da das System Erde zu komplex ist, um in einer Simulationskammer oder einem Reaktor nachgestellt zu werden. Staat und Bürger beauftragen Klimaforscher damit abzuschätzen, wie das Klima in 50 oder 100 Jahren aussehen könnte.

Das Klimamodell ist ein im Computer erstelltes Erdsystem, das die bekannten physikalischen Gesetze und chemischen Zusammenhänge bestmöglich wiedergibt. In die Untersysteme des modellierten Gesamtsystems Erde beziehen wir Informationen ein, die wir aus Laboruntersuchungen und Messungen in der Realität gewonnen haben.

 

20. Jahrhundert Animation (350 KB)

1. Das 20. Jahrhundert in 80 Sekunden: Um die Herausforderung zu verstehen, die in der Abschätzung des Klimas bis zum Jahr 2100 liegt, stelle dir folgendes vor: Du lebst im Jahr 1903 und sollst vorhersehen, was in der Welt bis zum Jahr 2001 geschehen wird ...
Hier siehst du in einem kurzen Zeitraffer Ereignisse des 20. Jahrhunderts (350 KB Animation). Bitte klicke die Animation für eine größere Version an. (1.4 MB!)
 

gekoppeltes Klimamodell

2. Schema für ein gekoppeltes Atmosphäre-Ozean Modell und ergänzende Modelle. Das Schema wurde in seiner Gestalt von Hamburger Bildungsserver übernommen. Bitte klicke es für eine größere Version an! (40 KB)
 

Ein globales Modell setzt sich aus Daten zusammen, die wir aus Simulationen von Teilen des Erdsystems gewinnen (z.B. dem Kohlenstoffkreislauf oder Modellen der Atmosphärenchemie). Oder aber solche Teilsysteme werden direkt miteinander gekoppelt, wenn dies die Computerkapazität zulässt. Die Funktionsfähigkeit des Modells wird daran gemessen, wie genau es die Vergangenheit simuliert, über die wir schon Messdaten haben.

 Was sind Szenarien?

Die Wissenschaftler errechnen Klimaveränderungen mit verschiedenen Modellen auf der Basis sogenannter "Szenarien". Ein Szenario ist eine Abschätzung der Änderungen in den zukünftigen Treibhausgas- und Aerosolemissionen unter bestimmten Bedingungen. Da wir nicht wissen, wie sich unserer Welt in Politik, Gesellschaft, Technologien und Wirtschaft entwickeln wird, müssen wir viele Möglichkeiten durchspielen. Die Familien von IPCC Szenarien A2, A1 und B1 wurden im Teil "Forschung" beschrieben.

 

 Die Klimafaktoren

Ein Klimamodell beruht in seinen Fundamenten auf einem System von Gleichungen vergleichbar mit einem Wettermodell. Meteorologische Größen wie Wind, Wasserdampf, Energieausgleich und Erhaltung der Gesamtmasse innerhalb eines modellierten Systems werden in Gleichungen beschrieben und miteinander gekoppelt.
Nun soll ein Klimamodell nicht das Wetter vom 22. März 2067 auf der Basis der Daten vom 21. März 2067 vorhersagen. Vielmehr soll es die mittlere Wahrscheinlichkeit für Wetterlagen angeben. Zum Beispiel: "In den Jahren 2080 - 2100 könnte es in einer bestimmten Region im Winter 40% weniger Niederschlag geben als heute."

Weitere, sich mittelfristig ändernde Faktoren müssen berücksichtigt werden: Treibhausgase und Aerosole ändern die langfristige Energiebilanz der Erde. Mit der zunehmenden Erwärmung kann die Luft im Mittel mehr Wasser halten. Verdunstung und Niederschlag erhöhen sich regional, was in einigen Regionen zu stärkeren Regenfällen in anderen zu ausgeprägterer Trockenheit führen kann. Heutige Modelle berücksichtigen sowohl die Treibhausgase (Kohlendioxid, Methan, Distickstoffmonoxid, FCKW und Ozon), die eine globale Erwärmung bewirken, als auch die Emissionen an Schwefelgasen und die Luftverschmutzung, die z.T. kühlend wirken.

 

 Von der Physik des Erdsystems zur Mathematik des Modells

Die Vielzahl der physikalischen Zusammenhänge, die in einem Modell des Klimasystems berücksichtig werden, kann hier nicht beschrieben werden. Hier kannst du jedoch auf einige wichtige Gleichungen und Gesetze klicken, die in einem dreidimensionalen nummerischen Klimamodell entweder verwandt werden oder erforderlich sind, um die verwandten Gleichungen zu verstehen. Manche kennst du vielleicht aus dem Physikunterricht, andere sind recht kompliziert. Wenn du dich näher für die Mathematik interessierst, folge den Links zu Erklärungen in Wikipedia.

Programmierer


Klicke auf die Gleichung und ich erzähle dir, was dahinter steckt!

(Einige Erklärungen erscheinen in einem neuem Fenster. Schließe es nach dem Lesen einfach wieder.)

Ideales Gasgesetz

Ideale Gase => Wikipedia

Navier Stokes

Navier Stokes Gleichungen => Wikipedia

    
Newtons Gesetz

Newtons Gesetze => Wikipedia

Corioliskraft

Corioliskraft => Wikipedia

    
1.Hauptsatz der Thermodynamik

Erster Hauptsatz der Thermodynamik => Wikipedia

Gleichungen zum Wasser

Gleichungen zum Wasser


Gleichungen wie diese oder von diesen abgeleitete Gleichungen müssen in einem Klimamodell miteinander gekoppelt werden und viele viele mehr. Natürlich müssen auch die Klimafaktoren, die wir ändern (wie die Treibhausgase), berücksichtigt werden. Lies hierzu den Text "Einfache Modelle" (Erscheinungsdatum Ende April).

Wir zeigten dir hier nur einige wichtige Gleichungen. Folgst du dem Link unten, so findest du (in englischer Sprache) eine Beschreibungen der fundamentalen Gleichungen, mit denen Klimamodellrechner arbeiten. Aber auch dieses sind nur die einfachsten Grundgleichungen.

University of Reading "The primitive equations"

 Die Erde im Gitter

Wir wissen natürlich, dass die physikalischen Bedingungen und das Wetter auf der Erde nicht überall gleich sind.

 

In den Tropen sind Sonneneinstrahlung und Temperatur wesentlich höher, als über dem Nordpol. In der tropischen Zirkulation fällt starker Niederschlag über den Regenwäldern und sinkt die ausgeregnete trockene Luft über den Wüsten. Über dem Nordpol ist der Wasserhaushalt weniger intensiv, da es kälter ist. Aber auch bei gleicher geographischer Breite und gleichem Sonneneinfallwinkel kann das Klima je nach Beschaffenheit der Oberfläche variieren. Über dem Himalaja sind die atmosphärischen Eigenschaften ganz anders, als über Shanghai..
 

Höhenkarte

6. Höhenkarte: Himalaya und ostchinesisches Becken
Für eine volle Ansicht der Höhenkarte klicke bitte auf das Bild! (80 KB)

Gitter im atmosphärischen Modell

7. Gitter und Parameter im globalen atmosphärischen Modell © NOAA
Bitte das Bild für eine größere Version anklicken! (100 KB)
 

Wir wissen auch, dass über den dicht besiedelten Gebieten Europas, Nordamerikas und Asiens mehr vom Menschen verursachte Gase und Partikel in die Luft gelangen, als über dem Ozean.
Wir können also das System Erde nicht in einen Klimamodellrechner schieben, wie einen Kuchen in den Ofen. Wir müssen die Luft und die Ozeane in der Horizontalen und in der Vertikalen unterteilen und den Zustand der Atmosphäre (Wind, Temperatur, etc.) und die Ozeane für diese kleinen Gitterzellen oder "Boxen" berechnen.

Heutige globale Modelle besitzen für die Atmosphäre zumeist eine Auflösung von 250 km in der Horizontalen und 1 km in der Vertikalen. Neuere Modelle können auch feiner sein. Die horizontale Auflösung eines typischen Ozeanmodells beträgt 125-250 km und die vertikale 200-400 m. In der Vertikalen enthalten die Modelle für die Atmosphäre etwa 20 übereinanderliegende Schichten, die bis in eine Höhe von ca. 30 km Höhe reichen.

 

Für die Ozeane reichen mehrschichtige Modelle bis in eine Tiefe von 5000 m, d.h. bis zum Tiefseeboden. Kleinräumige physikalische Prozesse, die von der Maschenweite des Gitternetzes nicht erfasst werden, können über das Gleichungssystem nicht gelöst werden. Ihr Nettoeinfluss auf die großräumigen Prozesse wird abgeschätzt. Danach werden sie durch Parametrisierung in das Modell eingebunden. Das gilt in der Atmosphäre besonders für die Wolkenbildung und im Ozean für Strömungswirbel und Konvektionsprozesse.

 

Europa in verschiedener Auflösung

8. Europa in einem Gitter mit verschiedener Auflösung © Hamburger Bildungsserver
Klicke die Grafik für eine höhere Auflösung an! (55 KB)

Langrange und Euler Modell

9. Langrange und Euler Modell © Werner Winiwarter
 

Die Gleichungen werden aufgestellt, um die Dynamik an den Gitterpunkten zu modellieren. Im speziellen Fall der atmosphärischen Chemie erfolgen chemische Reaktionen in einem Luftpaket oft über eine bestimmte Zeit. Obwohl auch feste Gitter horizontale Bewegungen in Betracht ziehen, kann es günstiger sein, die Reaktionen in einem wandernden Luftpaket zu simulieren. Solche Modelle nennen wir Lagrange-Modelle, im Gegensatz zu den Euler-Modellen mit einem starren Gitternetz. Für die Klimamodellrechnung sind Lagrange-Modelle jedoch nicht anwendbar.

 

Wie gut in solchen Modellen das zukünftige Klima simuliert wird, hängt auch von der Maschenweite des Gitternetzes ab. Je feiner, desto besser. Die Maschenweite wiederum ist eine Folge der verfügbaren Computerleistung. Die größten Computer der Welt werden in der Klimamodellierung eingesetzt und glücklicherweise nimmt ihre Leistungsfähigkeit stetig zu. So können in jeden zukünftigen IPCC Report immer detailliertere Berechnungen einbezogen werden.

 

Entwicklung von Klimamodellen

10. Diese Darstellung der Entwicklung von Klimamodellen über die letzten 25 Jahre zeigt, wie verschiedene Komponenten zunächst getrennt entwickelt und später in einem umfassenden Klimamodell gekoppelt wurden. © IPCC TAR 2001 Technical summary, Box 3, Fig 1
 


Autor:
Elmar Uherek - Max Planck Institute for Chemistry, Mainz

 

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