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Forschung

Partikelmessung am Straßenrand

Katja und Claus führen ihr Gespräch fort.

„Was ist denn nun mit Conny?“ fragt Katja ungeduldig. „Meinst du, sie lebt sehr ungesund.“
 

Claus wiegt den Kopf: „Ich denke nicht, dass sie sehr ungesund lebt. Heute sind die Abgase in den Städten nicht mehr so schädlich wie früher. Viele schwere Krankheiten treten kaum noch auf, an denen die Menschen vor 100 Jahren oft gestorben sind. Industrieanlagen haben Filter und Autos Katalysatoren.
 

Ruhrgebiet um 1900

1. Ruhrgebiet um 1900. Bild: KVR Archiv

Diesel Partikel

 

Dafür werden heute die kleinen Risiken interessanter, denen wir dauerhaft ausgesetzt sind. Dazu zählen auch die Partikel und der Ruß, der aus dem Auspuff von Autos kommt, vor allem aus Dieselfahrzeugen ohne Rußfilter. Aber auch das Gummi von Autoreifen reibt sich an den Straßen ab. Diese Partikel gehen in die Luft und wir atmen sie ein. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen: Es ist viel gesundheitsschädlicher zu rauchen.“

2. Bild links: So etwa sehen Partikel aus Diesel-Abgasen unter dem Elektronenmikroskop aus. © K. Park, F. Cao, D. Kittelson, and P. McMurry

Ich würde nie rauchen. ... Woher weiß man, wie viele gefährliche Partikel in der Luft sind?
Dies wird gemessen, aber im Detail nur an einigen wenigen Orten.

Eine solche Messung haben Kollegen von mir z.B. in Manchester in Nordengland durchgeführt. Dort wurde ein Messgerät am Straßenrand aufgebaut und in verschiedene Höhen geschoben. So kann man sehen, wie viele Partikel unten am Bürgersteig in der Luft sind und wie viele davon z.B. noch in der Höhe der dritten Etage eines Hauses ankommen.

Also da, wo Conny lebt. unterbricht Katja.
 

mobile Plattform in Manchester

3. Plattform für die Partikelsammlung in Manchester. © SCAR Projekt

Partikelsammler und Flussmessung

4. Einlass zur Partikelsammlung und Flussmessung. © SCAR Projekt

Genau! Hier siehst du, wie die Messinstrumente in einer viel befahrenden Straße vor dem Rathaus der Stadt aufgebaut wurden. Die Messplattform kann nach oben gefahren und abgesenkt werden.

Und so sieht es aus, wenn man von oben auf die Straße schaut.
 

Straßenschlucht Manchester

5. Blick auf die Straßenschlucht in Manchester.

„Und was ist das Ergebnis der Messungen?“ fragt Katja.

„Ich zeige dir hier einmal zwei Messreihen für ultrafeine Partikel. Dies sind die kleinsten Partikel, die Luftforscher messen können. Sie sind viel kleiner als ein tausendstel Millimeter, viel viel keiner als ein Haar.
 

Die Größe dieser feinsten Partikel nimmt von links (10 nm) nach rechts (100 nm) zu. Die meisten Partikel haben eine Größe zwischen 20 und 30 nm. Dort haben die beiden Kurven ihr Maximum. Die dicke schwarze Kurve wurde in 4 m Höhe gemessen, die graue mit den Kästchen in 17 m Höhe. Wir sehen, dass in 4 m Höhe mehr Partikel vorhanden sind als in 17 m Höhe. Aber von diesen feinsten Partikeln wird schon noch ein recht großer Anteil nach oben transportiert.“
 

Partikelverteilung

6. Die Verteilung feinster Partikel. Aus: Longley et al., Science of the Total Environment, 2004

Katja seufzt: "Nicht einfach zu verstehen, ein solches Messergebnis. Aber sind solch winzige Partikel denn überhaupt gefährlich, wenn man sie nicht einmal sehen kann?“
Claus nickt: „Die kleineren sind meist gefährlicher als die großen, weil die großen quasi im Hals steckenbleiben und wieder ausgehustet oder ausgeatmet werden. Die feinen gehen direkt tief in die Lungen, vielleicht sogar in die Blutbahn. Hieran wird noch viel geforscht, was sie dort anrichten.“
 

Skizze Straße

7. Skizze der Haupt- und Nebenwindrichtungen in der Straßenschlucht. Aus: Longley et al., 2004

„Verteilen sich die Partikel in jeder Straße so?“ 
 
„Das hat man auch in diesem Versuch untersucht. Es ändert sich ein wenig, je nach Windrichtung. Die Forscher haben darum eine Skizze von der Straße gemacht.
Je nachdem, von woher der Wind kommt und wie stark er ist, verteilen sich die Partikel in der Straße ein wenig anders.“

Katja runzelt die Stirn: „Puh, das ist ja kompliziert.“

„Ja“, sagt Claus, „aber man kann schon aus solchen Versuchen einiges lernen.“
 

„Hmmm – und die Partikel aus Afrika, von denen wir vorher gesprochen haben ... kommen die gar nicht in die Straßen?“ fragt Katja.
„Doch. Jede Straße hat ihre eigenen Hauptwindrichtungen, wie in einer Schlucht, durch die der Wind pfeift. Von außerhalb kommen aber auch noch andere Partikel in die Stadt. Dies hängt mehr von der Hauptwindrichtung ab, die über Stadt und Land vorherrscht.“

„Ich verstehe. Alles ziemlich durcheinander. Und wenn nun in der Stadt sehr saubere Autos mit Katalysator fahren und von draußen Partikel aus einer Chemiefabrik kommen, die viel giftiger sind. Woher kann man das wissen? Oder wenn zum Beispiel in Spanien sehr viele Partikel in den Straßen sind, die meisten aber von einem Sandsturm in der Sahara kommen oder von einem Waldbrand. Wie kann man das wissen?“
 

European Supersites

8. Die Karte der "European Supersites." Dies sind besonders ausgerüstete Messstationen für detaillierte Partikeluntersuchung. © EUSAAR

„Du sagst es. Dies ist ein großes Problem, auch für die Politiker, die Gesetze machen, um die Partikelzahl zu begrenzen. Die Gesundheitsgefahr, die von Partikeln ausgeht, ist für uns immer noch schwer abzuschätzen. Partikeln können tatsächlich aus sehr verschiedenen Substanzen bestehen. Zwar gibt es heute in vielen Städten Messstationen für die Luftqualität, die auch Partikel messen. Aber sie messen nur die Größe der Partikel. Generell sind kleinere gefährlicher als große, aber wie viel die Chemie dann noch ausmacht, ist nicht sicher.
 
In Europa gibt es auch einige Institute, die die chemischen und physikalischen Eigenschaften sowie ihre genaue Verteilung in der Atmosphäre untersuchen. Sie sind in einem Netzwerk zusammengeschlossen, das EUSAAR heißt.“
( European Supersites for Atmospheric Aerosol Research www.eusaar.net ).
 

„Solche Untersuchungen sind aber viel zu kompliziert, als dass wir sie für jede Stadt durchführen können. So müssen wir einfach annehmen, dass die Luft in viel befahrenen Straßen vor allem vom Autoverkehr bestimmt ist. Diese Annahme ist ja auch für die Mehrheit der Tage ganz vernünftig. Und wir machen Gesetze, um dort die Partikelanzahl zu beschränken.“
 

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