Die Sonne ist für die Erde eine riesige Energiequelle. Was geschieht mit ihrer Energie auf dem Weg in die Stadt? Welche Rolle spielt die Verschmutzung der Atmosphäre hierbei?
Die Sonnenstrahlung ist die Hauptenergiequelle in unserem Klimasystem. Die Menge an Energie, die von der Sonne ausgehend lotrecht auf die Außenhülle der Atmosphäre fällt (bei mittlerem Abstand Sonne - Erde), bezeichnen wir als Sonnenkonstante. Der Begriff Konstante trifft allerdings nicht ganz die Realität, da der Wert sich leicht verändern kann. Geringfügige Schwankungen in der Sonnenkonstante über den Jahreszyklus hinweg ergeben sich aus der Veränderung der Distanz zur Sonne auf der Umlaufbahn der Erde. Weiterhin verändert sich die Strahlungsleistung der Sonne. Die Sonnenkonstante nimmt Werte zwischen 1365 und 1372 W/m2 an. Nur ein Teil dieser Leistung erreicht auch die Erdoberfläche, da sie beim Durchgang durch die Atmosphäre durch Streuung, Reflexion oder Absorption geschwächt wird.
In der Stadtatmosphäre findet man relativ viele partikelförmige Verschmutzungen. Diese ändern ebenso wie die künstliche Oberfläche der Bebauung die Strahlungsbilanz der Stadt verglichen mit dem nichtstädtischen Umfeld. Die Strahlungsbilanz (netto Strahlung) einer bestimmten städtischen Oberfläche können wir durch die folgende Formel ausdrücken:
Q =(1-A) (I · sin h + i) + (Ez - Ea)
hierbei ist:
Q - volle Netto-Strahlung aller Wellenlängen (Strahlungsbilanz)
A - Albedo (ausgedrückt in Anteilen von 1, also z.B. 0.7, nicht aber 70%); (1-A) - von der Oberfläche absorbierte kurzwellige Strahlung
(I · sin h) - Intensität der direkten solaren Strahlung, die die horizontale Oberfläche erreicht; h - Sonnenstand = Winkel zwischen einfallenden Sonnenstrahlen und Erdoberfläche, maximal 90°; i - Intensität der diffusen solaren Strahlung
Ez - langwellige Strahlung der Erde (Wärme, die von der Erdoberfläche an die Atmosphäre abgegeben wird); die Atmosphäre absorbiert etwa 96% dieser ausgesandten Wärmestrahlung wieder, nur ein kleiner Teil geht direkt zurück in den Weltraum. Wie hoch dieser Anteil genau ist, hängt vom Gehalt an Wasserdampf und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre ab.
Ea - langwellige Strahlung der Atmosphäre, auch Rückstrahlung genannt (von der Atmosphäre in Richtung der Erdoberfläche zurück-emittierte Strahlung); (Ez-Ea) - sogenannte effektive Strahlung; von der Erde abgegebene Wärme
Der Wert der Strahlungsbilanz Q kann positiv sein (mehr Energie erreicht die Oberfläche, als von ihr abgegeben wird) oder negativ (mehr Energie wird abgegeben, als die Erdoberfläche erhält).
Unter Albedo (A) verstehen wir den relativen Anteil oder Prozentanteil der Gesamtstrahlung auf eine Fläche, der wieder zurückgeschickt (reflektiert) wird. Die Albedo unterscheidet sich in einer Stadt je nach der Oberfläche. Sie hängt von der Farbe und Feuchte ab, aber auch von der Dauer der Schneebedeckung. Für die üblichen Baumaterialien ist die Albedo relativ niedrig. 5-20% für Asphalt, 10-35% für Beton, 20-35% für Steine, 10-35% für Dachziegel oder Dachplatten. Fällt frischer Schnee auf die Flächen, so steigt sie auf 75-95%. Es gibt auch natürliche Oberflächen, die eine niedrige Albedo haben. Dunkler Erdboden (Chernozem) 5-10%, Laubwald 15-20%. Die Albedo von Wasser ändert sich von einigen wenigen bis hin zu 90% je nach Winkel des einfallenden Sonnenlichtes. Gewöhnlich ist die von einer Stadt absorbierte Strahlung um 15-30% höher verglichen mit der im nichtstädtischen Raum. Die verschiedenen Oberflächen bilden hierbei ein Mosaik mit einer hohen Veränderlichkeit der Albedo. Dies wiederum wirkt sich auf die Lufttemperatur in der Stadt aus.
1. Einfaches Modell zur Reflexion und Absorption von Sonnenstrahlung durch verschiedene Oberflächen bei gleichem Sonnenstand: oben dunkler Erdboden (Chernozem), unten Schnee Autor: Sebastian Wypych, Mateusz Kaminski
A
B
2. Abhängigkeit der Albedo vom Winkel der Sonnenstrahlung zur Erdoberfläche. Hier wird Wasser als ein Beispiel gezeigt. Für verschiedene Oberflächen jedoch kann diese Abhängigkeit verschieden sein. Autor: Sebastian Wypych, Mateusz Kaminski
Sonnen- winkel
1°
5°
10°
20°
30°
40°
50°
Wasser albedo (%)
89.6
58.6
35.0
13.6
6.2
3.5
2.5
3. Die Albedo von Wasser hängt vom Winkel der Sonnenstrahlen zur Erdoberfläche ab. Man beachte, dass die Sonne sehr niedrig stehen muss, bevor Wasser beginnt, stark zu reflektieren. (Die Abbildung oben gibt die wirklichen Winkel nicht genau wieder.)
Die Gesamtstrahlung der Sonne (direkte und diffuse Sonnenstrahlung) kann in einer Stadt durch Luftverschmutzung und erhöhte Bewölkung um 10-20% reduziert sein. Die Direktstrahlung kann sogar um bis zu 50% reduziert sein. Dies bedeutet, dass auch der UV-Anteil des Lichtes stark reduziert ist. Einerseits wissen wir, dass zuviel UV-Strahlung nicht gut für unsere Haut ist. Andererseits ist ein gewisses Maß wichtig, denn UV-Strahlung ist biologisch aktiv und trägt zur Verbesserung der Lufthygiene bei, z.B. durch das Abtöten von Bakterien und Krankheitskeimen. Die Aerosole (Partikel) unter den Luftverschmutzungen absorbieren die langwellige Wärmestrahlung der Erde (Ez) und senden sie zurück (Ea). All diese Faktoren bewirken eine Temperaturerhöhung in der Stadt.
4. Veränderung des Flusses kurzwelliger Strahlung (= von der Sonne kommender Strahlung) in der Stadt verglichen mit dem Umland; "direkte Strahlung - 15%" bedeutet, dass die direkte Einstrahlung in der Stadt 15% niedriger liegt, als im nichtstädtischen Umfeld. Autor: Sebastian Wypych
5. Veränderung des Flusses langwelliger Strahlung (Infrarotstrahlung, Wärmestrahlung) in der Stadt im Vergleich mit dem nichtstädtischen Umland; Rückstrahlung der Atmosphäre + 10%' bedeutet, dass der von der Atmosphäre in eine Stadt zurückgesandte Wärmestrahlungsstrom 10% höher ist, als im nichtstädtischen Umfeld Autor: Sebastian Wypych
In der jüngeren Geschichte wurde die Auswirkung der Luftverschmutzung auf die Strahlungsbilanz besonders deutlich. Sie veränderte sich durch die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen in den post-kommunistischen Staaten stark. Der wirtschaftlichen Krise folgte eine Reduktion der industriellen Produktion und der Emissionen. Gleichzeitig wurden in vielen neuen Fabriken emissionsreduzierende Techniken eingesetzt. In den Jahren 1996-1999 lag die Rückstreuung durch die Wolken, die sich an Partikeln bilden, über Mitteleuropa auf Grund des indirekten Aerosoleffektes um 2,8% niedriger (verglichen mit Werten der Jahre 1985-1989). Hierdurch erhöhte sich der Strahlungsfluss der Sonne um 1,5 W/m2. Es wurde wärmer, weil die Luft sauberer war.
Authors: Sebastian Wypych, Anita Bokwa - Jagiellonian University - Cracow / Poland Supporter: Anna Gorol 1. Scientific reviewer: Prof. Barbara Obrebska-Starkel - Jagiellonian University - Cracow / Poland - 2003-06-20 2. Scientific reviewer: Dr. Marek Nowosad - Maria Curie-Sklodowska University - Lublin / Poland - 2003-06-16 Übersetzung 2005 und letzte Überarbeitung 2007-09-11: Elmar Uherek - MPI für Chemie Mainz